Schulmassaker in Schweden: Wurden rassistische Motive vertuscht?

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Massaker in Schweden birgt politischen Zündstoff

14.02.2025

Von: Thomas Borchert

Nach mutmaßlich rassistischen Morden in einem Schulzentrum in Schweden stehen Behörden in der Kritik.

Nach dem Massenmord an zehn Menschen in einem Berufsschulzentrum im schwedischen Örebro gesellt sich zu Entsetzen und Trauer immer mehr Ratlosigkeit über das seltsame Agieren von Polizei und Politik. Angeblich sollen die Ermittlungen einer ganzen Woche bisher keine Klarheit über die Motive des Attentäters Rickard Andersson gebracht haben. In einer ersten Reaktion hatte die Polizei neben der Opferzahl sofort mitgeteilt, „alles“ spreche für eine Tat ohne ideologische Motive. Jetzt hat das die nationale Polizeichefin Petra Lundh „mit Bedauern“ zurückgenommen: „Es war viel zu eingrenzend.“

Der 35- jährige Täter war mit drei halbautomatischen Jagdgewehren, versteckt in einem Gitarrenkasten, mittags in die Riksbergska-Schule gekommen. Während seines Amoklaufs soll er gerufen haben: „Ihr müsst weg aus Europa“. Nach seinem Verbrechen erschoss er sich selbst. Dass die Opfer, sieben Frauen und drei Männer im Alter zwischen 28 und 68 Jahren, fast alle aus Syrien, Bosnien, Eritrea und Iran stammten, erfuhr Schweden nicht von den eigenen Behörden. Vielmehr bestätigten die Botschaften von Syrien und Bosnien den Tod von Bürger:innen ihrer Länder, während die schwedische Polizei dazu schwieg, weil die Identifizierung der Toten nicht abgeschlossen sei. Nach acht Tagen erst kam die Bestätigung: Acht von zehn Opfern stammten aus dem Ausland.

Dabei hatte Regierungschef Ulf Kristersson schon Tage vorher mit seiner ungewöhnlichen TV-Rede „an die Nation“ auch dem Letzten klargemacht, worum es hier beim schlimmsten Massenmord in der Geschichte des Landes offenbar doch geht: Er verstehe absolut die massive Unruhe im zugewanderten Teil der Bevölkerung.

„Es gibt nur ein Schweden. Nicht wir und die anderen“, sagte der Premier und lobte ausdrücklich die zur Ausbildung in der Krankenpflege an die Berufsschule gekommenen Opfer. Sie hätten das Land besser machen wollen. Auch in Schweden ist der akut unterbesetzte Pflegesektor stark von migrantischer Arbeitskraft abhängig. Kristersson rief eine nationale Schweigeminute aus. In Respekt für die ehrlich wirkende TV-Rede des Premiers mischt sich bei vielen Stirnrunzeln. Der Hintergrund: Kristersson hat seine Minderheitsregierung von den Stimmen der rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) im Reichstag abhängig gemacht.

Schwedische Regierung hetzt gegen Migrantinnen und Migranten

Nach der letzten Wahl ist 2022 im größten Land Skandinaviens die „Brandmauer“ von Kristerssons Konservativen gegen jede Zusammenarbeit mit den aus Neonazigruppen entstandenen SD komplett gefallen. „Er muss begreifen, dass seine jetzigen Worte vielen Schweden schrill in den Ohren klingen. Denn normalerweise klingen er und seine Partner ganz anders“, kommentiert „Aftonbladet“. Das Blatt verwies auf die SD-Parolen gegen die „Islamisierung“ und die dort gern verwendete Verschwörungstheorie vom „Bevölkerungsaustausch“.

Sich klar gegen derlei zu wenden, wäre für Kristersson gleichbedeutend mit dem Verlust der Regierungsmacht. Und habe er nicht selbst, hieß es in „Aftonbladet“ weiter, kurz vor dem Anschlag in Örebro verkündet, die Kriminalität in Schweden „sei stark mit der Zuwanderung verknüpft“? Tatsächlich gehört zu den herausragenden Aufgaben für die Stockholmer Regierung, der trotz unablässiger Gesetzesverschärfungen und Aufrüstung der Polizei grassierenden Bandenkriminalität mit immer neuen Schießereien und Bombenanschlägen Herr zu werden. Der hohe Anteil Jugendlicher mit Migrationsgeschichte ist nicht zu leugnen, und wie stark dafür mangelnder Integrationswille, Unfähigkeit von Behörden oder anderes verantwortlich gemacht werden muss, erscheint der Mehrheit der zehn Millionen Menschen in Schweden immer zweitrangiger.

Der Anschlag von Örebro gehört mit Sicherheit nicht zu dieser Kategorie, hat aber das Bild von dem gegenüber Gewalt ohnmächtigen Staat auf besonders brutale Weise verstärkt. Ganz unroyal hat dem Königin Silvia Ausdruck verliehen, als sie beim Besuch der Berufsschule in Örebro sagte: „Was ist nur aus dem feinen Schweden geworden? Ich bitte eindringlich alle um Mithilfe, es wieder aufzubauen. Um den Namen wieder stark zu machen. Was es heißt, schwedisch zu sein“.

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