Sozialdemokraten gewinnen Wahl in Island

In Island naht ein Machtwechsel
02.12.2024
Von: Thomas Borchert
Islands Sozialdemokraten gewinnen die Parlamentswahl. Die bisherigen Regierungsparteien stürzten massiv ab.
Auf jeden Fall in Island kann sich die Sozialdemokratie mal wieder über einen Wahlsieg freuen. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Wochenende holte die Sozialdemokratische Allianz hinter der 36- jährigen Spitzenkandidatin Kristrún Frostadóttir mit 20,8 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen wie 2021 mit kümmerlichen 9,9 Prozent. Sie schlug damit die konservative Unabhängigkeitspartei von Regierungschef Bjarni Benediktsson (54), die von 24,4 auf 19,4 Prozent zurückfiel.
Wie ein Machtwechsel in Reykjavik aussehen könnte, blieb nach Abschluss der Stimmenauszählung am Sonntag vollkommen offen. Ein sozialdemokratischer Parteisprecher forderte den Auftrag zur Regierungsbildung für Frostadóttir: „Die Wählerschaft will eindeutig Veränderung.“
Im neuen „Althing“, Islands Parlament mit 63 Mandaten, sind künftig sechs Parteien vertreten, die im Prinzip alle miteinander koalieren könnten. Mindestens drei müssen für eine neue Regierung zusammenfinden. Potenzielle Partner für die beiden größten Parteien sind erfolgreich auf Stimmenfang gewesen mit linkspopulistischen Forderungen, aber nationalistisch unterfüttert. Ein Zusammengehen von Sozialdemokratie mit der Unabhängigkeitspartei und einem weiteren Partner gilt als durchaus möglich.

Klar war erst mal vor allem, dass die Links-Grünen für sieben Jahre Koalition mit Benediktssons Konservativen und der ebenfalls rechten Fortschrittspartei die Maximalstrafe von ihrer Wählerschaft einstecken mussten. Sie flogen mit 2,4 Prozent gegenüber zuletzt 12,6 Prozent ganz aus dem „Althing“, Islands Parlament. Die Piratenpartei, vor allem nach dem isländischen Staatsbankrott 2008 durch größenwahnsinnige Kreditabenteuer heimischer Banken zeitweise stark, schaffte mit drei Prozent gegenüber vorher 8,6 Prozent ebenfalls nicht den Sprung ins „Althing“.
Die rechtsliberale Fortschrittspartei zahlte wie die Links-Grünen mit einem Minus von knapp zehn Prozentpunkten auf 7,8 Prozent einen hohen Preis für ihre Mitarbeit in der ungewöhnlichen Rechts-Links-Koalition. Sie wurde von 2017 bis in diesen Frühherbst von der Links-Grünen Katrín Jakobsdóttir als Premier geführt, die zurücktrat, weil sie für das Amt der Staatspräsidentin kandidieren wollte. Hintergrund waren ihre stabil hohen persönlichen Popularitätswerte, während es in den Umfragen für die Partei stetig bergab ging. Die Direktwahl verlor Jakobsdóttir dann überraschend gegen die parteilose Geschäftsfrau Halla Tómasdóttir.
Benediktsson übernahm das Spitzenamt in der Regierung, kündigte kurz danach die Koalition mit den Links-Grünen auf und löste vorzeitige Wahlen für die 270 000 Stimmberechtigten aus. Im Wahlkampf wurde vor allem über wirtschaftliche Probleme wie die hohen Zinsen, das Gesundheitssystem und den Wohnungsbau gestritten. Die Klimakrise und die Umwelt spielten kaum eine Rolle. Island gehört ohne eigenes Militär der Nato an und hat strategisch als Insel mitten im Atlantik im Zug der verschärften geopolitischen Konflikte enorm an Bedeutung für die Militärallianz gewonnen.
Bei heftigen Wetterproblemen mit zugeschneiten Straßen und Wintersturm sowie einem weiter Lava sprühenden Vulkan auf der Halbinsel Reykjanes gaben 80,2 Prozent ihre Stimmen ab.
