Dänische Wirtschaft wächst und wächst

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Die Wirtschaft wächst, Elektroautos rollen vom Band, Arbeitslosenquote sinkt: Was macht Dänemark anders?

20.11.2024

Von: Thomas Borchert

Zum Schwung bei diesem Teil des Privatkonsums trägt Finanzminister Nicolai Wammen auch bei, wenn er mal wieder ein überraschend stark gewachsenes Plus in der Staatskasse verkündet. Stets erfreut der Sozialdemokrat dabei das Publikum mit dem Kommentar, Dänemarks Wirtschaft sei „bärenstark“. Gerade erst hat der Rat der Wirtschaftsweisen seine Wachstumsprognose beim BIP für 2024 auf 2,3 und im nächsten Jahr sogar auf 2,8 Prozent bei niedriger Inflation von 1,5 Prozent angehoben. Die Arbeitslosenquote ist mit 2,9 Prozent recht weit unten angekommen, während die Beschäftigungsquote gerade bei Zugewanderten steigt und steigt.

Als zuverlässigstes Barometer für die Stimmungslage unter den sechs Millionen Menschen im kleinen Königreich zeigt auch der stramme Anstieg der Immobilienpreise jede Menge Optimismus an. In der ohnehin teuren Hauptstadt Kopenhagen kletterten sie bei spürbar gestiegenen Einkommen in den letzten zwölf Monaten um 4,9 Prozent. „Wir konstatieren, dass es nach wie vor Leute gibt, die diese hohen Preise für attraktive Quadratmeter zahlen wollen und können“, notiert das Wirtschaftsblatt „Børsen“. Das sind katastrophale Nachrichten für vor allem junge Familien und Singles ohne das nötige Kleingeld.

Novo Nordisk als Erfolgsfaktor? Dänemark fährt astronomische Gewinne ein

Als Erklärung des Kontrastprogramms zur Lage beim großen südlichen Nachbarn reicht schon fast der Name Novo Nordisk. Die astronomischen Einnahmen des Pharmakonzerns für die Schlankheitsmittel Ozempic und Wegovy tragen mit 15 Prozent zum Inlandsprodukt bei. Hinzu kommt die Wiedereröffnung des seit 2019 für Wartungsarbeiten stillgelegten Gasfeldes Thyra II, das für einen zusätzlichen Exportschub sorgt.

Dänemarks Regierung hat das Jubelszenario ein Luxusproblem verschafft. Wie soll sie der Wählerschaft klarmachen, dass trotz alledem eigentlich kein Geld für neue Wohltaten in der Kasse ist? Die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen versucht es offensiv in Sachen Militärausgaben. Verteidigungsminister Troels Lund von den Liberalen rechnete am Wochenende vor, dass neben der Rüstung auch die Sicherung von mehr als 7000 Kilometer Küste vor dem Anstieg des Meeresspiegels, gepaart mit dem des Grundwassers und immer häufigeren Sturmfluten „gigantische Summen“ kosten werde.

Aufmerksam registriert wird in Kopenhagen die Ernennung des Impfgegners Robert F. Kennedy jun. zum US-Gesundheitsminister. Er hat sich als entschiedener Gegner von Novo Nordisk und dessen unfassbaren Gewinnmargen profiliert: Statt „immer mehr Geld nach Dänemark zu schicken“ solle man lieber eigene Gemüsegärten gegen die Fettsucht-Epidemie einsetzen. „Die Hälfte der Ausgaben für Ozempic reicht, um allen in den USA drei Bio-Mahlzeiten am Tag plus den Übergewichtigen ein Abo im Fitnesscenter zu geben“, zitierte „Jyllands-Posten“ Kennedy.

Wirtschaft in Deutschland macht die Dänen besorgt

Genauso besorgt verfolgen Politik und Medien den wirtschaftlichen Abschwung in Deutschland als wichtigstem Handelspartner. TV-Nachrichten zeigen den Angstschweiß auf der Stirn von Betriebsräten und Chefs bei 400 heimischen VW-Zulieferern. Etwa 100.000 Arbeitsplätze hängen am Export über die Süd-Grenze. Wieder mal macht ein Dauerbrenner im dänischen Selbstverständnis die Runde: „Wenn Deutschland hustet, bekommen wir eine Erkältung.“ Erstes kleines Symptom für eine Ansteckung: Im Oktober sanken die Ausfuhren schon um 6,5 Prozent.

Die breite, wohlhabende und über den Wahlausgang entscheidende Mittelklasse im kleinen Königreich reagiert wie Dr. Faust bei Goethe: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Grandios falsch eingeschätzt hat das die Kopenhagener Regierung, als sie im vergangenen Jahr den „Großen Bettag“, einen 300 Jahre alten Feiertag strich und das dem Volk mit einer klammen Staatskasse vor allem durch Unterstützung für die Ukraine erklärte.

Kaum hatte Regierungschefin Frederiksen dies verkündet, gab ihr Finanzminister Wammen neue Rekordeinnahmen für seine Kasse bekannt. Der Ablauf leuchtete der Wählerschaft so wenig ein, dass die drei Parteien der Mitte-Rechts-Regierung in den Umfragen fast so tief gesunken sind wie das Ex-Ampeltrio in Berlin. Frederiksen will das bis zu den nächsten Wahlen für ihre Sozialdemokraten reparieren, indem sie Lockerungen beim Renteneintrittsalter verspricht, als neue Wohltat.

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