Dänemark verbietet wieder “fremde” Flaggen

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Es kann nur eine wehen – Dänemark und seine Flagge

02.11.2024

Von: Thomas Borchert

Ihr inniges Verhältnis zum Dannebrog, der eigenen rot-weißen Flagge, versüßt den Menschen in Dänemark als Christbaumschmuck und auf Geburtstagstorten enorm die Hygge, ihre allseits bewunderte Form von gemütlicher Lebensfreude. Nicht ganz so gemütlich klingt das neue Flaggengesetz, mit dem von Neujahr an laut Paragraf 2 im ganzen Königreich gelten wird: „Es ist verboten, die Flaggen anderer Länder zu hissen.“ Allein der Dannebrog darf dann oben am Mast flattern, nachdem das Höchste Gericht vor einem Jahr das uralte Verbot außer Kraft gesetzt hatte.

Wer von einer Zeitreise ins 19. Jahrhundert und noch viel weiter zurück träumt, wird das Protokoll der ersten Lesung im Kopenhagener Parlament voller Entzücken studieren. Søren Espersen von den oppositionellen Dänemarks-Demokraten begründete als Initiator das neue Verbot noch mal: „Wir wissen, dass der Herr uns den Dannebrog geschenkt hat, indem er ihn vom Himmel fallen ließ. Deshalb versteht es sich von selbst, dass er mit besonderem Respekt zu behandeln ist.“ Er hat eine breite Mehrheit hinter sich gebracht und artigen Dank aus den Reihen der sonst rivalisierenden Parteien geerntet.

Die kurvenreiche Vorgeschichte führt zurück zum 15. Juni 1219, als die rote Fahne mit dem weißen Kreuz einer Legende zufolge bei der Schlacht um Lyndanise, heute Estlands Hauptstadt Tallinn, mal eben so vom Himmel fiel. Seitdem ist sie da und wird auch mit mindestens 15 offiziellen Flaggentagen in Ehren gehalten. Ihre Monopolstellung an allen Fahnenstangen im Königreich ist deutschen Dänemark-Fans schmerzlich aufgegangen, wenn sie vor ihrem Ferienhäuschen einfach mal Schwarz-Rot-Gold hissten. Weil alle hier im Hygge-Land doch so viel Freude an Flaggen zu haben schienen. Groß war der Schock, wenn Nachbarn die Polizei herbeigerufen hatten, die das sofortige Einholen verlangte und mit Bußgeld drohte.

2018 brachte den Dänen Martin Hedegård seine Weigerung zum Einholen einer „fremden“ Flagge gleich durch drei Instanzen vor Gericht. Es ging ausgerechnet um die US-Flagge, die der Mann aus Kolding aus Begeisterung für Hillbilly-Musik im Garten hochgezogen hatte. Seine Nachbarin brachte das auf die Palme sowie zur Anzeige. Erst wurde Hedegård vom Amtsgericht freigesprochen, dann in der Berufung verurteilt und 2023 vom Höchsten Gericht wieder freigesprochen. Das Gericht kippte das 1915 per Königlichem Dekret vor Einführung der Demokratie verhängte Verbot ausländischer Flaggen gleich ganz: Ihm fehle die gesetzliche Grundlage.

Seitdem durften die Flaggen aller Länder nach Lust und Laune gehisst werden. Obwohl abgesehen von den schon vorher vielen ukrainischen Flaggen nirgends nennenswert „Fremdes“ zu erspähen war, trommelten die Verfechter des Dannebrog-Monopols, bis die sozialdemokratisch geführte Regierung nun eine modernere Version des alten Dekrets zusammengebastelt hat.

Sie ist bei Ausnahmeregelungen flexibler als das alte Dekret und beinhaltet vor allem eine Neuregelung, die den Rechtsaußen nicht gefällt: Neben den schon lange erlaubten Flaggen der nordischen Nachbarländer darf künftig auch die deutsche Flagge überall in Dänemark gehisst werden. Justizminister Peter Hummelgaard nennt Rücksicht auf die deutsche Minderheit in Südjütland und „die immer engeren und stärkeren Beziehungen quer über die Grenze nach Deutschland“ als Grund.

Hillbilly-Fan Hedegård allerdings macht sich künftig strafbar, wenn er seine Lust auf Stars&Stripes vor dem Küchenfenster nicht unterdrücken kann. Er hat unterdessen erklärt, dass ihm der ganze Rummel ohnehin so was von zum Hals raushängt. Einspringen will für ihn nun ausgerechnet Dänemarks langjährigster Minister aller Zeiten, Bertel Haarder, weithin geschätzter Fahnenträger des „kulturkonservativen“ Dänemark. Der 80-Jährige wundert sich, dass sein Land das Hissen von Flaggen nach eigenem Geschmack nicht als Teil der Meinungsfreiheit akzeptieren kann: „Warum darf ich nicht die US-Flagge hissen, wenn Donald Trump die Wahl am 5. November verliert?“

Nun tritt das Verbot erst zum Jahreswechsel in Kraft, und die Niederlage für Trump scheint nicht so sicher. Doch auch später, bei der Amtseinführung in Washington, würde Haarder im Fall des Falles „mit Freude das Bußgeld zahlen“. Überweisen müsste er dann 2500 Kronen, also rund 335 Euro. Und als Wiederholungstäter dann das Doppelte.

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