Schweden und Iran tauschen Gefangene aus

„Sind durch die Hölle auf Erden gegangen“: Schweden tauscht Gefangene mit dem Iran
17. Juni 2024
Von: Thomas Borchert
Der Iran und Schweden entlassen gegenseitig Häftlinge – in Stockholm gibt es prompt Kritik. Das Mullah-Regime in Teheran nimmt einen verurteilten Massenmörder als „Helden“ in Empfang.
Schweden und der Iran haben am Wochenende einen lange, zäh und streng geheim ausgehandelten Gefangenentausch vollzogen. Dabei konnte das Mullah-Regime den in Schweden wegen Beteiligung an Massenhinrichtungen 1988 im eigenen Land zu lebenslanger Haft verurteilten Hamid Noury als „Freiheitshelden“ mit Blumenkranz und ausgerolltem roten Teppich auf dem Teheraner Flugplatz begrüßen.
Im Gegenzug nahm der schwedische Premier Ulf Kristersson auf dem Stockholmer Flugplatz Arlanda seinen in Teheran von der Todesstrafe bedrohten Mitbürger Johan Floderus und den zu fünf Jahren Haft verurteilten Saeed Azizi in Empfang.
In Schweden hat seit der Festnahme des EU-Beamten Floderus wegen „Spionage für Israel“ im April 2022 und von Saeed Azizi wegen „Konspiration“ im vergangenen November niemand daran gezweifelt, dass sie als menschliche Tauschobjekte für Noury in Teheran einsitzen mussten.

Der regimetreue Iraner war im November 2019 von Landsleuten im Exil nach Stockholm gelockt worden, damit er hier als Büttel für das Khomeini-Regime 1988 für seine Beteiligung an Gefängnis-Massakern im Jahr 1988 mit 30 000 Toten zur Verantwortung gezogen werden konnte.
Schweden wendet das Prinzip „universeller Jurisdiktion“ an, wonach besonders schwere Verbrechen geahndet werden können, auch wenn sie anderswo auf der Welt von jemandem mit nicht-schwedischer Staatsangehörigkeit begangen worden sind.
Zuletzt hatte das Oberste Gericht in Stockholm im Dezember Nourys Verurteilung zu lebenslanger Haft bestätigt.
Kristersson sagte bei der Begrüßung seiner zwei Landsleute: „Sie sind durch die Hölle auf Erden gegangen und nun in der Lage, wieder mit ihren Liebsten zusammen zu sein.“ Und er betonte: „Der Iran hat sie zum Faustpfand in einem zynischen Verhandlungsspiel gemacht.“ Für ihn sei immer klar gewesen, dass dies „schwere Entscheidungen notwendig machen würde.“
Postwendend meldete sich die Ehefrau des bei dem Deal nicht freigelassenen und im Iran zum Tode verurteilten Schweden Ahmadreza Djalali zu Wort: „Die Politiker müssen für diese Form von Diskriminierung zur Verantwortung gezogen werden. Sie haben unsere Familie zerstört“, klagte sie an.
Ebenfalls in der Zeitung „Dagens Nyheter“ schloss sich Amnesty International der Kritik an, weil Djalali unberücksichtigt geblieben ist. Der Katastrophen-Mediziner vom Stockholmer Karolinska Institutet sitzt seit acht Jahren in seinem Geburtsland im Gefängnis, wurde 2017 zum Tode verurteilt und soll schwer krank sein.
In Teheran postete der staatliche Generalsekretär für Menschenrechte, Kazem Gharib Abadi auf X/Twitter, man könne „dem lieben iranischen Volk die erfreuliche Mitteilung machen, dass der in Schweden illegal internierte Hamid Noury freikommt und heimkehrt“.
Aus dem Außenpolitischen Institut in Stockholm kommentierte der Nahost-Experte Rouzbeh Parsi in „Svenska Dagbladet“: „Es war symbolisch wichtig, dass Noury verurteilt worden ist, und es ist eine Niederlage, dass er nun seine Strafe nicht absitzen muss.“ Schwedens Regierung habe kaum eine Alternative zum Gefangenentausch gehabt.
Scharfe Kritik an der Freilassung Nourys als überführtem Massenmörder äußerte dagegen die iranische Exil-Community in Schweden: Der Gefangenentausch werde das Mullah-Regime nur zum noch mehr Kidnapping ermuntern und sei ein Verrat an Nourys Opfern, hieß es in zahlreichen Posts auf X/Twitter. mit afp
