Sanders mobilisiert gegen “Raubtier-Preise” für dänische Schlankheitsspritze

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Frankfurter Rundschau 15.05.2024 
Sanders gegen die Spritze
Abnehm- und Diabetesmittel von Novo Nordisk boomen. Aus den USA gibt es nun Kritik an den hohen Preisen / Von Thomas Borchert
US-Senator Bernie Sanders macht mobil gegen „Raubtierpreise“ aus Dänemark beim weltweit boomenden Geschäft mit der Abnehmspritze Wegovy und dem identischen Diabetes-Präparat Ozempic. Beim Chef des Herstellerkonzerns Novo Nordisk, Lars Fruergaard Jørgensen, ist im Kopenhagener Vorort Ballerup ein Brief mit Sanders‘ Appell eingegangen, doch bitte nicht durch extrem hohe Preise große US-Krankenversicherungen in den Ruin zu treiben und 85 Millionen nicht oder unzureichend versicherte Menschen von der Nutzung beider Präparate auszuschließen.

„Helfen Sie dem amerikanischen Volk im Kampf gegen die Fettsucht- und Diabetes-Epidemie in unserem Land,“ heißt es fast flehentlich in einem Beitrag des Vorsitzenden im Senatsausschuss für Gesundheit für die größte dänische Zeitung „Politiken“. Hier nennt Sanders die Preisgestaltung von Novo Nordisk „empörend“, „skandalös“, „unerhört“ und „geldgierig“. Er rechnet vor, dass der Konzern für einen Monat Ozempic gegen Diabetes-2 in den USA knapp 900 Euro und für das identische Präparat Wegovy zum Abnehmen 1250 Euro verlange, in anderen „ebenfalls reichen Ländern“ dagegen nur einen Bruchteil. Bei Herstellungskosten von knapp fünf Euro.

Als Beispiel nennt Sanders auch Deutschland, wo ein Monat Ozempic für 65 Euro und Wegovy für 245 Euro (alle Zahlen umgerechnet) zu bekommen sei. Novo Nordisk, mit den gigantischen Einnahmen aus dem neuen „Wundermittel“ im Raketentempo zu Europas wertvollsten Börsenunternehmen aufgestiegen, reagierte sofort: Sanders vergleiche unzulässig Preissetzungen in völlig unterschiedlichen Gesundheitssystemen. Überdies sei der US-Preis für Ozempic seit 2018 ja schon um 40 Prozent gefallen.

Gegenüber „Politiken“ gestand der Gesundheitsökonom Kjeld Møller Pedersen Novo Nordisk zu, dass sich die US-Preise tatsächlich „kompliziert und äußerst speziell“ gestalteten. Indirekt gab er Sanders aber recht: „Es ist das, was wir Raubtier-Preissetzung (predatory pricing) nennen“, wenn Novo Nordisk sein Monopol nutze, so lange es Bestand habe, um den maximalen Profit einzufahren.

Die nicht nur in den USA grassierende Fettsucht-Epidemie und der Schlankheitswahn bescheren dem dänischen Pharmakonzern Rekordzahlen. Im ersten Quartal legte Novo Nordisk beim Umsatz um 24 Prozent zu und erzielte traumhafte 85 Prozent bei der Bruttomarge. Bei Wegovy würden jede Woche allein in den USA 25 000 neue Patientinnen und Patienten dazukommen, verkündete Finanzchef Karsten Munk Knudsen. Man könne vielleicht nicht alle Wünsche befriedigen, denn weltweit habe sich der Umsatz von Wegovy im ersten Quartal verdoppelt.

Wegovy wird in der Regel wöchentlich gespritzt. Es soll den Appetit dämpfen. Für eine dauerhafte Wirkung muss das Präparat laut ersten Studien lebenslang eingenommen werden.

Der Erfolg von Novo Nordisk versetzt Dänemark zusehends in einen Zustand, den die Bevölkerung von Finnland aus der Glanzzeit von Nokia in durchaus gemischter Erinnerung haben dürfte: Das Land boomte und blühte allein dank des Erfolges der Handy-Pioniere im Helsinki-Vorort Espoo. Bis ein neues Gerät namens iPhone dem schnell und radikal ein Ende setzte.

Dänemark erwartet 2024 ein BIP-Plus von 2,4 Prozent, das zur Hälfte dem Novo-Erfolg zugeschrieben wird. Dabei bringt die rasante Ausbreitung von Ozempic und Wegovy auch das heimische Gesundheitssystem ins Knirschen. Von 2021 bis 2023 stieg bei den Krankenhausträgern der Anteil von Ozempic von 7,4 auf 17,7 Prozent des Medikamentenbudgets.

Im Gegensatz zum Schlankheitsmittel Wegovy ist es zuschussberechtigt. Statt 450 Millionen Kronen mussten die von immer neuen Sparrunden gebeutelten Krankenhäuser jetzt 1,4 Milliarden Kronen (190 statt 60 Millionen Euro) für Ozempic überweisen. Oberarzt Reimar W. Thomsen vom Universitätshospital Aarhus berichtete in „Politiken“: „Hausärzte bestätigen, dass es Druck von Patienten Richtung Ozempic gab, bei dem der Wunsch nach Gewichtsverlust äußerst wichtig war.“ Als die Behörden mit der kompletten Streichung der Bezuschussung drohten, senkte Novo Nordisk den heimischen Preis. In Washington hat Bernie Sanders eine Untersuchung der US-Preissetzung im Gesundheitsausschuss angesetzt.

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