Greta Thunberg weist deutsche Kritik an Gaza-Solidarität hart zurück

Greta Thunberg verteidigt Gaza-Haltung gegen deutsche Kritik: „Israel begeht einen Völkermord“
Stand: 29.03.2024
Von: Thomas Borchert
Schwedens Klima-Aktivistin reagiert in einem TV-Interview auf Ricarda Lang und Carla Reemtsma; sie bleibt bei ihren radikalen Vorwürfen gegen Israel.
Stockholm – Greta Thunberg hat Kritik von Fridays for Future Deutschland und von Bündnis 90/Grüne wegen „Einseitigkeit“ ihrer Kommentare zum Krieg in Gaza rundheraus zurückgewiesen. „Es geht darum, dass Israel Hunger als Waffe anwendet und dass Israel einen Völkermord begeht,“ wiederholte sie in einem TV-Interview vor dem Osterwochenende. Und: „Wofür steht eine Bewegung für Klimagerechtigkeit, die sich nicht distanzieren kann, wenn ein Völkermord begangen wird und Zehntausende Menschen sterben?“
Thunberg reagierte auf Einspieler mit Distanzierungen der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und von der deutschen Klimaschutzaktivistin Carla Reemtsma für Fridays for Future Deutschland mit einem vielleicht milden, vielleicht sarkastischen oder einfach nur unsicheren Lächeln, aber zumeist mit unbewegter Miene. Reemtsma: „Greta Thunberg verletzt mit ihren Aussagen gerade ganz, ganz viele Menschen, weil jüdisches Leid nicht sichtbar gemacht wird in dem, was sie sagt.“ Von Lang kam der Vorwurf, Thunberg „missbrauche“ das „richtige Anliegen Klimaschutz für eine einseitige Position zum Israel-Palästina-Konflikt“.
Greta Thunberg will für „für grundlegende Menschenrechte“ kämpfen
Dazu sagte die weltbekannte Schwedin: „Zunächst mal waren wir vom ersten Tag an klar darin, dass es natürlich um alle betroffenen Menschen der Zivilbevölkerung geht. Aber auch, dass wir uns gegen alle Formen von Diskriminierung inklusive Islamophobie und Antisemitismus stellen.“ Nur gehe es in diesem Fall nicht darum, sondern um Hunger als Waffe und einen Völkermord durch Israel. Auf die Frage, ob folglich der deutsche Teil der von Thunberg initiierten Fridays for Future und die Grünen als Berliner Regierungspartei „falsch liegen“, antwortete Thunberg: „Ich meine nicht, dass es der Bewegung für Klimagerechtigkeit schaden kann, für grundlegende Menschenrechte aufzustehen.“
Greta Thunberg wegen Blockade im Fokus
Auslöser und eigentliches Hauptthema des Interviews war Thunbergs Mitwirkung an einer gesetzeswidrigen Blockade des Haupteingangs vor dem Reichstag in Stockholm. Dies hatte in der schwedischen Öffentlichkeit wesentlich größere Aufmerksamkeit ausgelöst als ihre Gaza-Solidarität mit Posts und Demo-Auftritten. Auch in Schweden greifen Klimagruppen zunehmend zu militanteren Aktionsformen wie Straßenblockaden oder einer Blockade des alljährlichen Wasa-Skilanglaufs mit Zehntausenden auf der Loipe. Darüber wird heftig gestritten.
Hintergrund ist die Klimapolitik der derzeitigen rechten schwedischen Regierung, die nach den Wahlen 2022 mit den Versprechen billigeren Benzins, des Stopps von Windkraft-Projekten und des massiven Ausbaus der Atomkraft an die Macht gekommen war. Diese Woche erst erklärte der „Klimapolitische Rat“ als staatlich bestelltes Expertengremium in seinem Jahresgutachten, dass mit der jetzt geführten Klimapolitik in Schweden die CO2-Emissionen weiter steigen und Verantwortung „in die nächste Mandatsperiode verschoben wird“. Unter keinen Umständen seien so die nationalen wie die EU-Klimaziele zu erreichen.
Greta Thunberg klagt: „Keiner hört auf uns, egal was wir tun“
Thunberg verteidigte im Interview auf Sveriges Television militante Aktionsformen als legitim, wenn „die Politik ihre Macht zur Aufrechterhaltung dieses destruktiven Systems anwendet“, wie sie sagt. Die Klimabewegung habe seit vielen Jahren alle nur erdenklichen Aktionen unternommen. Aber: „Für uns junge Menschen ist ausgesprochen frustrierend, dass all dies geschieht und wir nichts machen können. Denn keiner hört auf uns, egal was wir tun.“
Daheim war Thunberg nach ihren zunächst einsamen freitäglichen Schulstreiks zu nationaler Popularität gelangt. Dass sie dann vom Papst über Angela Merkel bis Barack Obama für schöne Fotos und Klimaschutz-Appelle hofiert wurde, brachte ihr in Schweden Kultstatus ein auf einer Stufe mit Ingmar Bergman, Abba und dem Königspaar. Der bröckelt nun im Kielwasser des Klima-Rollbacks von rechts. (Thomas Borchert)