Wehrpflicht für Frauen in Dänemark

Die sozialdemokratische Regierungschefin sagte zur Begründung: „Jetzt geht es um Waffen und Aufrüstung. Nicht, um weit weg von uns selbst die Demokratie aufzubauen, sondern um unsere eigene Demokratie auf unserem eigenen Kontinent zu verteidigen.“ Eine Anspielung auf die Beteiligung ihres Landes am katastrophal verlorenen Krieg in Afghanistan. Frederiksen hat seit ihrem Antritt 2019 die vor allem von Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen als dänischem Regierungschef betriebene Politik fortgesetzt und ihr Land als militärisch besonders eifriges Nato-Mitglied sowie als US-Verbündeten profiliert.
Dazu gehörten in den letzten Monaten immer wieder auch Ankündigungen in düsterer Tonlage etwa zur Bewahrung des hohen Lebensstandards in Dänemark: Dass es nun „nicht mehr um Wohlfahrt, sondern um Sicherheit“ gehe, dass „Freiheit ihren Preis hat“ und dass „man Kriege nicht mit Worten gewinnt“. Zur jetzt verkündeten massiven Steigerung der Militärausgaben sagte Frederiksen: „Ich glaube, es wird weiter Bedarf an noch mehr Investitionen in Verteidigung und Sicherheit geben.“ Kompromisslos tritt sie auch für wesentlich mehr Militärhilfe an die Ukraine ein.
Stimmen aus der Opposition vermuten, dass die 46- Jährige sich für einen internationalen Top-Posten in Stellung bringen will. In Kopenhagen gilt als ausgemacht, dass Frederiksen gern die Nachfolge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg übernehmen würde. Seit klar war, dass sie vor allem gegen den niederländischen Noch-Premier Mark Rutte wohl keine Chancen hat, soll sie ihr Augenmerk auf die Neubesetzung der Brüsseler Ratspräsidentschaft nach der Europawahl im Juni gerichtet haben. Frederiksen widerspricht dem nur in moderater Form. Von der dänischen Öffentlichkeit werden die Aufrüstungspläne ganz überwiegend zustimmend aufgenommen.
Das gilt auch für die Einführung der Frauen-Wehrpflicht bei annähernder Verdreifachung der Dauer, von der offenbar niemand so richtig grundlegende Veränderungen erwartet. Bisher galt sie auch für die Männer Grunde nur auf dem Papier, weil die Armee in der Regel genügend Freiwillige unter den Wehrpflichtigen finden konnte. Dass deren Anteil nun von 4700 auf 5000 unter Dänemarks Soldaten (und den Berufssoldatinnen) ansteigen soll, klingt nicht unbedingt nach einer revolutionären Umwälzung. In ersten Reaktionen wird vor allem die Finanzierung durch Staatsverschuldung und die konkrete Umsetzung all der gewaltigen Beschaffungspläne für das Militär infrage gestellt. Es hat als „kaputtgesparte“ und durch Inkompetenz und Nepotismus an der Spitze schwer geplagte Einrichtung einen miserablen Ruf. Kommentar Seite 11
Dänemark: Wehrpflicht ohne Protest
15.03.2023
Von: Thomas Borchert
In Dänemark militarisieren sich Politik und Diskurs. Die neue Wehrpflicht für Frauen ist ein Baustein – und ein Zeichen für die Ambitionen der Premierministerin Frederiksen. Der Kommentar.
Wehrpflicht für Frauen gibt es in acht Staaten der Welt, darunter Nordkorea, Israel und Eritrea. Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen verweist bei ihrer Initiative dafür lieber auf Norwegen und Schweden, wo Frauen längst eingezogen werden können und niemand das grundsätzlich in Frage stellt.
Wer für die Wehrpflicht ist, kann gerade im feministisch meistens vorneweg eilenden Skandinavien nur schwer Argumente gegen Gleichstellung bei Einberufungen argumentieren. Hinzu kommt im Königreich Dänemark, dass die Wehrpflicht meistens ein Papiertiger auch für Männer gewesen ist, weil die Armee ihren Bedarf überwiegend aus Freiwilligen gedeckt hat. Auch deshalb fällt der Widerspruch gegen die Frauen-Wehrpflicht hier markant schwächer aus, als das etwa bei einem Anlauf aus Berlin zu erwarten wäre.
Frederiksens Initiative ist einer von vielen Bausteinen bei der Militarisierung von Politik und Diskurs. Dass die Sozialdemokratin ihre Rhetorik dafür wohl auch zur eigenen Profilierung für einen Top-Posten in Brüssel gezielt schärft, hinterlässt einen schalen Geschmack.