Giftmüll-Lawine “Dänemarks größte Umweltkatastrophe”

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Wer zahlt für die Drecklawine?

Stand: 24.01.2024

Von: Thomas Borchert

In Jütland bedroht eine Lagerstätte für belastetes Erdreich der Firma Nordic Waste ein Dorf. Milliardär und Mehrheitseigner Østergaard-Nielsen will nicht für die Schäden einstehen.

Vor Lawinengefahr hat im flachen Dänemark nie ein Schild gewarnt. Wenn jetzt trotzdem ein gigantischer Erdrutsch von Regierungsvertretern zur „vielleicht größten Umweltkatastrophe in unserem Land“ ausgerufen wird, müssen ganz besondere Kräfte im Spiel sein. Als Ministerpräsidentin Mette Frederiksen diese Woche in Gummistiefeln und gelber Weste besichtigte, wie sich mit Benzin, Schwermetallen und anderem verdrecktes Erdreich auf das Dorf Ølst im Osten von Jütland zuwälzt, dachte sie schon an die Rechnung: „Man kann sie absolut bezahlen, wenn man willens ist.“ Wer aber ist „man“? Frederiksen zeigte mit dem Finger ausdrücklich auf die Eigner des Unternehmens Nordic Waste, das hier an einer hügeligen Lehmgrube ihr Geschäft mit der Einlagerung von 3,5 Millionen Kubikmetern belastetem Erdreich gemacht hat. Über die gebe es „nichts Gutes zu sagen“.

Für dänische Verhältnisse vollkommen surrealistisch fallen die Schlagzeilen seit Weihnachten aus, wonach die dreckige Lawine das komplette Dorf Ølst mit den Heimstätten von 400 Menschen unter sich begraben könnte. Mitte dieser Woche gab es die erste Entwarnung vom Katastrophenstab in der Kreisstadt Randers. Das Tempo des Erdrutsches habe man von neun auf zwei Meter pro Tag senken können. Dafür wurden 5000 Lkw-Ladungen des durch den endlosen Regen aufgeweichten Erdreichs unter Hochdruck weggeschafft und anderswo in Jütland neu verklappt.

Auf Steuerkosten, versteht sich, denn Nordic Waste als Betreiber der Anlage gibt es jetzt plötzlich nicht mehr. Als die Verwaltung aus Randers im Angesicht der Mammut-Aufgabe von der Firma die sofortige Bereitstellung von 200 Millionen Kronen (27 Millionen Euro) verlangte, meldete das Unternehmen einfach Konkurs an. Was den Volkszorn noch mehr zum Kochen brachte, weil für den Mehrheitseigner dieser Betrag eigentlich die berühmt-berüchtigten „Peanuts“ aus der Portokasse sein sollten: Torben Østergaard-Nielsen (69) gehört mit seinem Vermögen von geschätzt 42 Milliarden Kronen zu den sechs Reichsten im Königreich Dänemark.

Steinreich geworden ist er als weltweit führender Lieferant von Schiffs-Brennstoff. In die Schlagzeilen geriet der Milliardär schon einmal, weil sein Unternehmen Dan-Bunkering von 2015-2017 Jet-Brennstoff unter Bruch der EU-Sanktionen an Syrien lieferte, während der Diktator Assad dort die eigene Bevölkerung bombardieren ließ. Østergaard-Nielsens Sammlung von 275 Ferraris, Jaguars, Lamborghinis und dergleichen mehr, die man als ebenfalls Reicher oder Reiche diskret leasen kann, soll die größte in ganz Europa sein.

Geld für die Forschung

Die Erdrutsch-Katastrophe im Osten Jütlands, die auch das Richtung Ostsee strömende Flüsschen Alling Å akut bedroht, nennt Østergaard-Nielsens Konzern-Mutter USTC „außergewöhnlich tragisch“ und macht die extremen Niederschläge der letzten Monate verantwortlich: „Sie führten zu dieser Naturkatastrophe von nie gesehenem Ausmaß in Dänemark.“ Zur Erforschung von Klimaveränderungen wolle man 100 Millionen Kronen stiften und natürlich der Einwohnerschaft von Ølst hilfreich unter die Arme greifen.

Auch das kam als Almosen angesichts der langfristig auf 2,2 Milliarden Kronen berechneten Kosten für mindestens fünfjährige Aufräumarbeiten nicht gut an. Einhelliges Fachwissen machte klar, dass das Erdreich sich lange vor dem Einsetzen der tatsächlich gewaltigen Niederschläge in den letzten Monaten in Bewegung gesetzt hatte, ohne das Nordic Waste die geschäftsträchtige Einlagerung von Erdreich gestoppt hätte.

Allerdings hatten die staatlichen Aufsichtsbehörden dies stets genehmigt, obwohl es Warnungen gab. Dementsprechend wächst der öffentliche Druck auf die Politiker:innen aus der Kopenhagener Regierung. Die gibt ihn weiter an Østergaard-Nielsen. Es gebe natürlich keine Verpflichtung zum Schadensersatz mit seinem Gesamtvermögen, räumte Justizminister Hummelgaard ein: „Aber es gibt auch eine soziale Verantwortung für Unternehmen.“ Handfestere Forderungen nach schärferen Regeln gegen Investoren-Flucht allerdings wehrt Premier Frederiksen ab. Dänemarks größte Zeitung „Politiken“ kommentiert: „Nordic Waste setzt das politische System schachmatt. Deshalb spricht die Regierung über Moral statt über Geld.“

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