Dänisch Baubranche verlangt schärfere Klimaregeln für sich selbst

Klimaziele für das Bauen: Eine Schippe mehr Mut
13.01.2024
Von: Thomas Borchert

Teil der dänischen Baubranche fordert eine niedrigere CO₂-Obergrenze für die eigene Industrie.
Forderungen einer Industriebranche nach radikal schärferen Klimaregeln für das eigene Geschäft dürften Seltenheitswert haben. Umso mehr Aufmerksamkeit verdient diese Kunde aus Kopenhagen: Knapp 500 Unternehmen und andere Akteure der dänischen Baubranche verlangen von der Politik, die gesetzliche Obergrenze für CO₂-Emissionen beim Wohnungsbau von derzeit 12 auf 5,8 Kilo CO2 pro bebautem Quadratmeter und Jahr zu senken.
Und zwar schleunigst: Nur mit der schnellen Halbierung bis 2025 sei es für die Bauindustrie möglich, die Anforderungen aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 zu erfüllen, heißt es in der „Reduction Roadmap“, deren Erfolg auch die Initiativgruppe selbst komplett überrascht. Ein großer bunter Haufen hat sich per Unterschrift hinter die Forderung nach schärferen Klimaanforderungen beim Wohnungsbau gestellt: Dabei sind weltbekannte Architektur-Firmen wie Bjarke Ingels‘ BIG, Bauplanungs-Unternehmen, Gewerkschaften und Baufirmen genauso wie eine führende Pensionskasse, die Milliarden-Projekte finanziert. Die Stadt Kopenhagen hat auch unterschrieben, ebenfalls ein Big Player für die Baubranche. Und aus der Zuliefererindustrie kommen Unterschriften vom Fensterproduzenten Velux und dem Anlagenbauern F.L.Smidth.
Wille zum Handeln ist groß
Aus dem Initiatorenkreis erklärt sich Architekt Sinus Lynge die Durchschlagskraft der Reduction Roadmap damit, dass „sie für alle die abstrakte globale Klimarechnung zu etwas Konkretem heruntergebrochen hat, wenn sie morgens zur Arbeit gehen“. Im Online-Magazin Zetland sagte er weiter, quer durch die gesamte Baubranche sei der Wille zum Handeln enorm: „Aber keiner kann das alleine. Damit alle entsprechend ihrem Wunsch agieren können, muss von oben die Gesetzgebung dafür kommen.“
Dabei gibt es die gesetzliche Obergrenze für CO₂-Emissionen schon seit 2021. Aber sie fällt mit 12 Kilo je neu bebautem Quadratmeter Wohnfläche hinter dem derzeit in Dänemark erreichten Durchschnittswert von 9,5 Kilo zurück. Bei den jetzt angelaufenen Verhandlungen im Parlament über neue Regeln verlangen die Volkssozialisten als „mutigste“ Partei sieben Kilo.
5,8 Kilo als Obergrenze
Alles zu mutlos, nicht konsequent genug, haben die Leute von Reduction Roadmap vor dem Bauausschuss des dänischen „Folketing“ erläutert. Zu ihrer Forderung nach 5,8 Kilo als Obergrenze schon kommendes Jahr meint Stefanie Weidner vom Stuttgarter Ingenieurbüro Sobek für nachhaltiges Bauen: „Das wird sehr, sehr schwer und den vollen Einsatz aller verlangen.“ Sie hat ein Jahr Arbeit vor Ort in Kopenhagen hinter sich und sieht die Initiative auch als Vorbild für die deutsche Baubranche: “Es ist bezeichnend für diese fortschrittliche und der Wissenschaft vertrauende Nation, dass aus der Branche heraus der Wunsch nach noch höheren Zielen kommt.“
In Deutschland, so erklärt sie, gibt es bisher keinen umfassend verbindlichen Richtwert beim Bau von Büro- und Wohngebäuden. Lediglich für die „KfW-Förderung“ durch den Bund sind Richtwerte, welche deutlich höher sind als in Dänemark, einzuhalten. Wo sie außerdem den gesamten Lebenszyklus eines Wohnungs-Neubau umfassen, also auch die zu erwartende Klimabelastung durch Nutzung über 50 Jahre etwa mit Stromverbrauch und Heizung.
Mischung aus Klimadenken und Geschäftssinn
Die Reduction Roadmap wird als Mischung aus sorgsam durchgerechneten Klimadenken und geschäftlichem Spürsinn präsentiert. Der F.L-Smidth-Konzern etwa verweist auf seine 140-jährige Tradition als Anbieter von Fabrikanlagen für die Zementproduktion. „Jetzt wollen wir gerne nachhaltige grüne Technologie liefern. Schärfere Klimaregeln tragen zur mehr Nachfrage dafür bei.“
Dass das auch im fortschrittlich grünen Dänemark nicht alle so sehen, wird deutlich, da der führende Zementhersteller Portland auf der Unterschriftenliste fehlt. Dessen Anlage in Aalborg ist landesweit souverän der größte CO2-Emmissionär mit 2,2 Millionen Tonnen pro Jahr . Das Roadmap-Ziel von 5,8 Kilo bis 2025 sei doch ein „bisschen zu ehrgeizig, als dass große Teile der Branche sie erfüllen könnten“, kommentiert das Unternehmen im Magazin „Zetland“. Portland ist ein gewaltiger politischer Machtfaktor in Aalborg, wo Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ihren Wahlkreis hat. Die Regierung hat bisher kein Wort des Lobes oder überhaupt ein Wort zur „Reduction Roadmap“ öffentlich geäußert. Stefanie Weidner verweist darauf, dass bei den knapp 500 Unterschriften die „Planenden gegenüber den Ausführenden“ in der Überzahl seien. Aber: „Immer mehr der Planenden und Bauherren wehren sich gegen die jahrzehntelange Vorherrschaft der Betonfertigteillo