Dänemarks Königin Margrethe dankt ab

Die Königin will nicht mehr
Stand: 01.01.2024
Von: Thomas Borchert
Margrethe II. von Dänemark scheut weder Haltung noch Irritation – und ist sehr beliebt. Jetzt dankt sie überraschend ab.
Königin Margrethe bleibt auch bei ihrer Abdankung so souverän wie während der 52 Jahre auf Dänemarks Thron. „Die Zeit bringt Verschleiß, es gibt immer mehr Gebrechen, und man schafft einfach nicht mehr so viel wie früher,“ sagte die 83Jährige bei der Silvesteransprache, in der sie klar und unaufgeregt, aber auch vollkommen überraschend die Stabübergabe an Kronprinz Frederik, den älteren ihrer beiden Söhne, verkündete.
Noch zum 80. hatte sie in Interviews unverdrossen ihre royale Pflichtauffassung kundgetan, dass eine Regentschaft mit dem letzten Atemzug zu enden hat. So wie bei ihrem Vater, Christian X., nach dessen Tod sie am 14. Januar 1972 als junge Frau zur Königin ausgerufen wurde. Nach ihrer „umfassenden Rückenoperation“ im Februar sehe sie das anders, erklärte Margrethe in der Neujahrsansprache.
Bis zum Jahrestag ihrer eigenen Inthronisierung hat sich Margrethe, die bei öffentlichen Auftritten zuletzt immer mit Stock zu sehen war, noch zwei Wochen auf dem Thron gegeben. In denen wird halb Dänemark Schlange stehen vor Schloss Amalienborg, um der außergewöhnlich populären Königin zu danken. „Selbst die verstocktesten Republikaner müssen die Würde und Größe anerkennen, mit der Königin Margrethe regiert hat und nun abdiziert“, formulierte die größte Zeitung „Politiken“ ihren ganz tiefen Bückling.

Dass Margrethe „regiert“ hat, ist eine kühne Behauptung, wenngleich die dänische Verfassung von 1849, ohne Rücksicht auf den Gender-Aspekt, der Regentschaft nach wie vor absolutistische Macht zuschreibt: „Der König ist nicht verantwortlich; seine Person ist heilig und unverletzlich“, liest man im 21. Jahrhundert staunend in Artikel 18. „Nicht verantwortlich“ bedeutet, dass der Regent oder die Regentin von keinem dänischen Gericht für irgendetwas belangt werden kann. Margrethe trägt sicher keinen Heiligenschein, aber ihr guter Name als zweite Frau auf dem Thron der ältesten europäischen Monarchie (Start: 958 mit Gorm dem Alten) ist tatsächlich unantastbar. Das zeigt auch ihre Neujahrsansprache, die sie nun zum letzten Mal vor einer TV-Kamera abgelesen hat: Sie hat nach wie vor traumhafte Einschaltquoten und gilt bei Silvesterfesten aller Art als Pflichtauftakt.
Mal fordert Margrethe ihr Volk, verpackt in allerlei Blumiges über die Freuden des Familienlebens und die Schönheit dänischer Provinzhäfen, zu mehr Toleranz gegenüber „Fremden“ auf. Um dann zwei Jahre später die Zugewanderten zu ermahnen, dass es ohne mehr eigene Anstrengung mit der Integration nicht klappen kann.
Bemerkenswert daran ist, wie sie es als Staatsoberhaupt mit oft banalen und eigentlich immer im politischen Mainstream verankerten Worten schafft, ihrem „Volk“ ein freundlich entspanntes, trotz aller Risse und Gräben wohlig positives Bild der dänischen Gesellschaft zu vermitteln. Angetreten als scheue, auf ihr Amt vollkommen unvorbereitete junge Frau, hat sie nach und nach ihren eigenen Stil souverän durchgesetzt und gezeigt – unter anderem mit ihren künstlerischen Aktivitäten –, dass auch Brüche ihr nie etwas anhaben konnten.
Das gilt für das geradezu störrische Bekenntnis der Königin zum heftigen Zigarettenkonsum bis ins hohe Alter genauso wie für ihr Outing als Klimaskeptikerin vor ein paar Jahren. Sie hat das jetzt mit einer ernsten Ermahnung zum Handeln gegen die Klimaveränderungen glattgezogen und diskrete Selbstkritik drangehängt: „Für einige von uns ist es ein bisschen schwer gewesen, das einzusehen.“ Also, Schwamm drüber.
Ihre künstlerischen Aktivitäten, etwa als Malerin, Teppichdesignerin, Übersetzerin französischer Literatur oder Scherenschnitt-Meisterin, haben Margrethes Sympathie-Kapital gewaltig wachsen lassen. Sie ließ sich erst kürzlich im Kopenhagener Tivoli für ihre Kostüme und das Szenenbild für die Ballettversion des Andersen-Märchens „Die Schneekönigin“ feiern.
Allerdings hat das Glanzbild der Monarchin in den letzten Jahren ein paar Kratzer abbekommen. Viele im „Volk“ fanden brutal, wie Margrethe den vier Kindern ihres zweiten Sohnes Joachim nach einem Familienzwist den Titel als Prinz oder Prinzessin aberkannte. Joachim warf der Mutter öffentlich den Fehdehandschuh hin. Auch die letzten gemeinsamen Jahre mit dem 2018 verstorbenen Ehemann Prinz Henrik waren nur noch schwer als harmonisch zu vermitteln, nachdem der sich öffentlich ausbedungen hatte, er wolle sein Grab unter gar keinen Umständen an der Seite Margrethes haben.
Auch der 55-jährige Kronprinz, vom 14. Januar an dann König Frederik X. mit Königin Mary an seiner Seite, hat gerade erst Schlagzeilen gemacht. Paparazzi verbreiteten Fotos aus Madrid, die beweisen sollten, dass der Kronprinz bei einer prominenten Mexikanerin mit dem schönen Namen Genoveva Casanova übernachtet hatte. Mag sein, dass diese familiären Aspekte Margrethes Entschluss zur baldigen Abdankung befördert haben.