Königin Silvia wird 80

Die Makellose
Stand: 22.12.2023, 16:01 Uhr
Von: Thomas Borchert
Königin Silvia von Schweden ist wortgewandt und weiß im rechten Augenblick zu schweigen. Jetzt wird die souveräne Regentin 80 Jahre alt.
Wer den 80. Geburtstag bei bester Gesundheit mit dem Lebensgefährten, drei ebenfalls gesunden Kindern und acht Enkelkindern im eigenen Schloss feiern kann, hat wohl wenig Grund zur Klage. Wenn Königin Silvia von Schweden, am 23. Dezember 1943 als Kaufmannstochter Silvia Renate Sommerlath in Heidelberg auf die Welt gekommen, aber doch mal öffentlich Klage führt, geschieht es so gut wie immer in wohlgesetzten royalen Worten zum Wohl anderer, wahlweise in sechs von ihr beherrschten Sprachen. Von Kindern mit psychischen Problemen bis zu demenzkranken alten Menschen reicht ihr Engagement als Schirmherrin von 62 Stiftungen.
Vor zehn Jahren klagte Silvia dann doch mal in eigener Sache vor dem Presse-Ombudsmann wegen einer boshaften Karikatur mit sich selbst und König Carl Gustaf XVI. Hier half der Titel nichts, die Königin unterlag in zwei Instanzen. Davon später mehr im Kleingedruckten. Denn unter dem Strich ist sich ganz Schweden einig, dass diese zugewanderte Tochter einer Brasilianerin und eines Deutschen von Beginn an und bis heute ein vermutlich lebensrettender Glücksfall für die Monarchie ist. Das Königshaus galt im durch und durch sozialdemokratischen Schweden des 20. Jahrhunderts als verstaubt und reaktionär, als 1972 der 26-jährige Kronprinz Interesse an der Chefhostess bei den Olympischen Spiele in München entwickelte. Zum ersten Mal habe er das beim Blick durch sein Fernglas während der Eröffnungsfeier gespürt, erzählte er später.
Im Jahr darauf wurde aus dem Kronprinzen ein ausgesprochen unsicherer König, der erst nach der Hochzeit mit Silvia 1976 nach und nach an Sicherheit gewann. „Der widerwillige Monarch“ hieß noch eine 2010 erschienene, allerdings auch umstrittene Biografie, während bei der Ehefrau vom ersten Tag an klar war, dass Silvia in der neuen Rolle alles gab für die Monarchie – und damit Erfolg hatte. Sie lernte schnell und ziemlich perfekt Schwedisch, und schaffte als freundlich lächelnde Schönheit mit intelligentem Einfühlungsvermögen auch den Spagat zwischen traditionellen Anforderungen an den Hof und dem Wunsch nach mehr Modernität. Und: Sie sorgte stets für gute PR.
Nur ein, zwei Skandälchen
Silvia lächelte nicht nur und weihte alles Mögliche ein, sondern hat über fast ein halbes Jahrhundert den Eindruck von disziplinierter Arbeit vermittelt. In der Geburtsstadt Heidelberg brachte ihr das in diesem Jahr den Ehrenbürgertitel ein. Für das „großartige soziale Engagement von Königin Silvia von Schweden, insbesondere ihren außergewöhnlichen Einsatz für schutzbedürftige Kinder“. Den schärfsten Knick in dieser fast makellosen Erfolgsbilanz illustrierte ihre Klage 2013 gegen vier schwedische Medien wegen einer bösen Karikatur. Sie zeigten Silvia beim Wegfegen eines Hakenkreuzes von einem Teppich und Carl Gustaf beim Pizzaverzehr auf einer nackten Sängerin. Der Hintergrund: Medien hatten berichtet, dass sich Walther Sommerlath in den 1930er-Jahren am Vermögen eines zwangsenteigneten deutschen Juden bereichert haben sollte. Silvia verteidigte zunächst ihren Vater: „Man muss psychologisch verstehen, wie das war, als Deutschland sich plötzlich wieder aus der Asche erhob. Und diese Freude darüber, dass das Vaterland wieder da war. Deshalb stützte mein Vater Deutschland und wurde Parteimitglied.“ Wer sich damals dagegen gestellt habe, sei „ja gegen die ganze Maschinerie gewesen“. Als die Königin gewahr wurde, welches Entsetzen sie damit ausgelöst hatte, beauftragte sie einen Historiker und Anwälte mit der Untersuchung der geschäftlichen Aktivitäten ihres Vaters während der Nazizeit. Sie brachten einen weitgehenden „Freispruch“. Silvias Image hat diese Auseinandersetzung kaum geschadet.
Das gilt ganz und gar nicht für ihren Ehemann als zweites Karikaturopfer. Carl Gustaf geriet 2010 in die Schlagzeilen, zum einen wegen einer Affäre mit der Popsängerin Camilla Henemark von der Band „Army of Lovers“, zum anderen wegen seiner vor allem von Zeuginnen bestätigten Teilnahme an „Herrenabenden“ mit bezahlten jungen Frauen sowie Besuchen in Stripclubs. Die Verteidigung des Regenten fiel so jämmerlich aus, dass Forderungen nach seiner Abdankung zugunsten von Kronprinzessin Victoria (46) laut wurden.
Silvia hat dazu genauso eisern geschwiegen wie zu Carl Gustafs vorsintflutlicher Nörgelei an der Abschaffung der rein männlichen Thronfolge in Schweden. Zu seinem 50. Thronjubiläum in diesem Sommer war über all das so einigermaßen Gras gewachsen. Silvia führte die Rolle als hundert Prozent loyale Regentengattin perfekt lächelnd wie fast immer vor. Aber die Zustimmung zur Monarchie fällt derzeit mit knapp über 60 Prozent doch wieder mäßiger aus. Und nach wie vor wünscht eine Mehrheit in Schweden, dass die Monarchie mit dem Wechsel von Carl Gustaf zu Victoria jetzt eine weibliche Zukunft bekommt.