Finnland und Russland streiten immer härter

Militärische Spannungen: Der Ton zwischen Finnland und Russland wird schärfer
Stand: 20.12.2023
Von: Thomas Borchert
Die Spannungen zwischen Neu-Nato-Mitglied Finnland und Russland nehmen zu: Putin droht dem Nachbar mit militärischer Präsenz an der Grenze.
Helsinki/Moskau – Ein halbes Jahr nach Finnlands Aufnahme in die Nato steigen die Spannungen mit dem Nachbarn Russland rasant. Präsident Wladimir Putin hat zum Wochenauftakt die Verlegung von Militär östlich der gemeinsamen 1340 Kilometer langen Grenze angekündigt und damit zunächst verbal auf die Unterzeichnung eines „DCA-Abkommens“ (Defense Cooperation Agreement) zwischen Helsinki und Washington reagiert. Es ermöglicht US-Streitkräften die Nutzung von 15 Militärstützpunkten für gemeinsame Aktionen an Land, in der Luft und zur See. In einem TV-Interview sagte Putin: „Probleme gab es bisher nicht, aber jetzt wird es sie geben.“ Russland wolle den früheren Militärbezirk Leningrad rund um das heutige St. Petersburg neu aufbauen und Einheiten im Grenzgebiet stationieren.
Nachdem Finnland und Schweden sich 2022 in der Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine gemeinsam um Aufnahme in die Nato beworben hatten, hatte die Moskauer Führung ihre Kritik bisher vor allem gegen Stockholm gerichtet. Dass sich das jetzt markant ändert, während Schweden weiter auf die Aufnahme warten muss, zeigt auch der Streit um die vier Grenzübergänge zwischen Finnland und Russland. Hier stieg im November trotz zum Teil arktischer Kältegrade plötzlich die Zahl von Asylbewerber:innen aus afrikanischen und arabischen Ländern. Finnlands konservativer Regierungschef Petteri Orpo wertete das als von Moskau gesteuerte „hybride Bedrohung“ und ordnete die komplette Schließung an.
Finnland wird gegenüber Russland immer offensiver und deutlicher
Es gab Kritik wegen der faktischen Aufhebung des Rechts auf Asyl, auch mit Hinweis auf die alles in allem recht bescheidenen Zahlen mit knapp unter tausend Anträgen in einem Monat. Zwei versuchsweise geöffnete Übergänge wurden letzte Woche binnen eines Tages wieder geschlossen. Innenministerin Mari Rantanen nannte den Grenzübertritt einer „zweistelligen Zahl“ von Asylbewerbern in weniger als 24 Stunden eine Fortsetzung der russischen Hybridoperation: „Finnland kann das nicht akzeptieren.“
Generell formuliert die politische Führung in Helsinki ihre Kritik an Russland immer offensiver. Das fällt ins Auge, weil seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein betont vorsichtiger und rücksichtsvoller Umgang mit dem Kreml als unverzichtbare Grundlage für die Bewahrung von Finnlands Unabhängigkeit gegenüber dem übermächtigen Nachbarn galt. Jetzt äußert Staatspräsident Sauli Niinistö: „Wenn Russland etwas in Gang setzt, musst du unmissverständlich klarmachen, wo du stehst.“ Bis auf die letzten seiner zwölf Amtsjahre hatte sich der 75-Jährige seiner gegenseitig vertrauensvollen politischen Beziehung zu Putin gerühmt, mit dem er auch gern Eishockey spielte.
Finnlands 42- jährige Außenministerin Elina Valtonen, wie Niinistö aus der Konservativen Sammlungspartei, nannte laut „Süddeutscher Zeitung“ in einem Gruppeninterview mit deutschen Journalist:innen Russland einen „faschistischen, imperialistischen Akteur“.
Experte über Putins Regime: „Russland führt eine kriminelle Politik“
Der Politikwissenschaftler Jussi Lassila vom Außenpolitischen Institut in Helsinki sagte der FR dazu, die Kennzeichnung des russischen Regimes als „faschistisch“ sei bis zur Vergiftung des Regimekritikers Alexei Nawalny 2020 „vollkommen undenkbar“ gewesen. „Seitdem ist für uns klar, dass Russland eine kriminelle Politik führt.“ Auch wenn der Faschismus-Begriff akademisch gesehen vielleicht nicht ganz korrekt sei, treffe er doch „leider die Realität“. „Es ist gut, dass das jetzt klar zum Ausdruck kommt.“ Die Drohungen Putins mit verstärkter Militärpräsenz im Grenzgebiet zu Finnland wertet Lassila als „leere Worte“. Für ihn sei klar, dass Russlands militärische Ressourcen noch über viele Jahre an die Ukraine gebunden seien.
Nach Angaben der Zeitung Hufvudstadsbladet hat die finnische Oberstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen russischen Neonazi wegen möglicher Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgenommen. Der Mann wurde im Sommer bei einer Zwischenlandung in Helsinki auf dem Weg nach Nizza nach einem ukrainischen Begehren festgenommen, kann aber nicht dorthin ausgeliefert werden. Er soll als Offizier einer paramilitärischen Miliz 2014 und 2015 in der Ost-Ukraine Gefangene misshandelt und Frauen vergewaltigt haben.