Schwedens Gewerkschaften bestreiken Tesla

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Kampfansage an Elon Musk

Stand: 16.11.2023

Von: Thomas Borchert

Tesla-Beschäftigte, Gewerkschaften und Politik wollen den Milliardär in Schweden dazu zwingen, einen Tarifvertrag abzuschließen.

Was als kleiner Streik in zehn schwedischen Tesla-Werkstätten begann, weitet sich nach drei Wochen zum großen Grundsatzstreit aus. Die Gewerkschaften im Norden wollen mit aller Macht den weltweit ersten Tarifvertrag für Beschäftigte im Tesla-Imperium von Elon Musk erkämpfen. Zu den jetzt verkündeten Sympathieaktionen gehört auch die Streikankündigung der IF Metall für einen heimischen Zulieferer der Tesla-Gigafactory in Grünheide bei Berlin. „Da wird es ganz ordentliche Störungen in der Produktion geben, und das ist natürlich der Sinn der Sache,“ sagte Gewerkschaftssekretär Veli-Pekka Säikkälä im Rundfunksender SR.

Die IG Metall unterstützt, jedenfalls mit guten Worten, die Aktion ihrer schwedischen Kolleg:innen. Was die größte Einzelgewerkschaft der Welt für die mehr als 10 000 Beschäftigten in Grünheide bisher nicht durchsetzen konnte, peilt jetzt die Schwesterorganisation für sage und schreibe 130 bei ihr organisierte Werkstatt-Mechaniker:innen an.

Aber es geht eben ums Ganze, wie Säikkälä meint: 1930 hätten Unternehmen und Gewerkschaften in Schweden den Abschluss von Tarifverträgen als Grundlage eines geregelten und friedlichen Miteinanders vereinbart und seitdem nie in Frage gestellt. „Unser Schwedisches Modell müssen wir unbedingt verteidigen.“ Musk äußert sich immer mal wieder als Gewerkschaftshasser.

Im größten Land Skandinaviens decken Tarifverträge 90 Prozent der Arbeitnehmerschaft ab. Auch mit dem gewerkschaftlichen Organisationsgrad von 62 Prozent bewegt man sich hier in ganz anderen Dimensionen als in Deutschland mit 15 Prozent (jeweils 2016). Viel bessere Voraussetzungen also, um Teslas wie überall kategorische Abweisung einer kollektiven Vereinbarung zu Lohn und Arbeitsbedingungen nicht einfach zu schlucken.

Auch ein Novum: Streikbrecher

Die ersten Wochen des Werkstatt-Streiks verliefen trotzdem holprig. Nicht alle Beschäftigten zogen mit, trotz Streikposten vor den Einfahrten konnten teilweise aus anderen skandinavischen Ländern von Tesla herangekarrte Ersatzkräfte den Werkstattbetrieb weiterführen. Auch das ist laut Säikkälä ein Novum: „Seit 1930 hat das niemand mit Streikbrechern so gemacht.“

Den Entladungs-Boykott aller Schiffe mit neuen Teslas an Bord durch die Hafenarbeitergewerkschaft konnte das Unternehmen mit Transporten über Land vom dänischen Esbjerg aus offenbar auch teilweise aushebeln. Ende dieser Woche nun haben gleich neun Gewerkschaften zusätzliche Sympathieaktionen angekündigt. Unter anderem soll der Post- sowie der Versand von Ersatzteilen blockiert und das Netz der eigenen Ladestationen nicht mehr gewartet werden.

Der sozialdemokratische Ex-Premier und Ex-Metaller Stefan Löfven ließ mitteilen, er werde jetzt bei Taxibestellungen einen Tesla-freien Transport verlangen. Überraschender kam die Mitteilung des Vermittlungsdienstes Ynnor für Dienstwagen, dass die Hälfte seiner 120 Unternehmenskunden Tesla derzeit nicht haben wollen. Auch der amtierende Regierungschef Ulf Kristersson, als Konservativer kein leidenschaftlicher Gewerkschaftsfreund, nimmt ziemlich klar Stellung: „Die schwedische Tradition auf dem Arbeitsmarkt spricht eine klare Sprache. Ich erwarte, dass man das hier auf die Weise löst, die bei uns die normale ist.“

Dieser Grundton spiegelt die Traditionen des Industriestaates Schweden mit Sozialpartnerschaft und nur wenigen Streiks dank starker Gewerkschaften wieder. Aushängeschild war dafür auch der urschwedische Autobauer Volvo in Göteborg mit zu 100 Prozent gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten. Heute gehört Volvo dem chinesischen Geely-Konzern. Das jahrzehntelange Dauer-Abo auf die populärsten Autos hat den Göteborgern der Tesla Y abgenommen, Er ist in Schweden dieses Jahr der meistverkaufte Personenwagen.

Metaller Säikkälä gibt sich als Streik-Koordinator in Schweden siegessicher: „Wir können das hier sehr, sehr lange durchhalten.“ Sein Kollege Dirk Schulz, IGM-Bezirksleiter in Berlin, Brandenburg und Sachsen, hofft per Solidaritätserklärung auf Folgewirkungen: „Euer Streik gibt auch den Kolleginnen und Kollegen in Grünheide Mut und Zuversicht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.“

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