Thise hat Erfolg als symapthischer Bio-Pionier

Dänische Molkerei Thise kämpft mit Käse gegen das Kapital
Stand: 07.11.2023,
Von: Thomas Borchert

Die dänische Bio-Molkerei Thise nimmt es seit Jahrzehnten mit dem Branchenriesen Arla auf.
Dass ganz Dänemark Thise ins Herz geschlossen hat, ist ein bisschen übertrieben. Auf dem Weg vom „Ökospinner“-Projekt einiger sturer Bauern und aufs Land gezogener Hippies zum zweitgrößten Anbieter von Bio-Milchprodukten ist die Genossenschaft dem aber verblüffend nahegekommen. Jetzt hat Thise im gleichnamigen jütländischen Dorf knapp 300 Beschäftigte, machte 2022 1,3 Milliarden Kronen (170 Millionen Euro) Umsatz und lebt doch weiter vom Sympathiebonus als unerschrockener David gegen den heimischen Goliath Arla. Vielen im Land ist der größte Molkereikonzern Europas ein Symbol für extrem intensiv betriebene Agrarindustrie.
Wohingegen Thise seit dem Start 1988 in einer maroden Dorfmolkerei die Selbstverpflichtung zu nachhaltiger Bio-Produktion mit Milch, Käse, Joghurt und anderen Milchprodukten immer wieder erneuert hat. Die 72 genossenschaftlichen Anteilseigner verständigten sich 2021 darauf, ihren Kühen mit acht Quadratmetern mehr Mindestplatz zu geben als die vom Gesetz verlangten sechs Quadratmeter. Seit vergangenem Jahr füttern die Betriebe ihr Milchvieh nicht mehr mit dem Klimakiller Soja. „Wir brauchen eine Landwirtschaft im Zusammenspiel mit der Natur, und die Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass das zu höheren Preisen führt“, begründete Gründungschef Poul Pedersen den Schritt.
Wie gut das funktioniert hat, zeigen die über drei Jahrzehnte oft zweistelligen Wachstumsraten und die Lobeshymnen aus den verschiedensten Ecken Dänemarks. Die Branding-Agentur Loyalty Group konstatiert trocken: „Mit Produktqualität, einer guten eigenen Geschichte und auch der Selbstdarstellung als Alternative zum Großkapital hat Thise einen Brand mit hoher Kundenloyalität geschaffen.“ Claus Meyer, Mitbegründer des weltberühmten Kopenhagener Restaurants Noma, äußert „große Wertschätzung für Thise und vor allem auch für den delikaten Nordseekäse“.
Molkerei Thise wächst mit Bio-Produkten
Über junge Veganerinnen und Veganer sagt Pedersen: „Sie greifen gerne zum Thise-Haferdrink, weil sie von ihren Eltern den positiven Klang unseres Namens in der Wiege mitbekommen haben.“ Natürlich habe man als Produzent tierischer Lebensmittel auch pflanzliche im Sortiment. „Es ist doch klar, dass wir uns, verdammt noch mal, in Zukunft mehr pflanzlich ernähren werden“, sagte Pedersen fröhlich fluchend. Seine Landwirtinnen und Landwirte hätten ja die Rohstoffe dafür. Um dann aber doch vor „falschem Fundamentalismus“ zu warnen: „Ich möchte nicht die Krankenhausrechnungen von Veganern bezahlen, wenn die Knochen zusammenfallen.“ Proteinzufuhr durch Milch sei nun mal unverzichtbar.

Der gelernte Molkerei-Ingenieur, der in diesem Monat in den Ruhestand wechselt, steht für den Thise-Erfolg. Eigentlich sei er ja ein traditionell Konservativer vom Lande, sagt er und gibt zu: „Die wirklich was bewegt haben in Richtung ökologischer Landwirtschaft, das waren die von der Linken.“ So Leute wie Renate Künast, sagt er. Die frühere deutsche Landwirtschaftsministerin von den Grünen besuchte Pedersen letztes Jahr auf der Nürnberger Bio-Lebensmittelmesse.
Markt für Bio-Lebensmittel in Dänemark schrumpfte zuletzt
Daheim stand für die linken Wurzeln Thises auch der langjährige Verkaufschef Mogen Poulsen, der sich selbst als „waschechten 68er“ einstuft. Er war 1973 von Kopenhagen aufs Land gezogen, hatte eine Kuh im Stall und erst mal keine Ahnung von Landwirtschaft. Den erstaunlichen Erfolg der Genossenschaft erklärt er auch damit, dass deren „Draufgängertum“ vor allem der städtischen Kundschaft immer sehr gefallen habe.
Mit Corona und Inflation ist der Absatz von Bio-Lebensmitteln in Dänemark geschrumpft und damit auch der Spielraum für Draufgängertum. Thise setzt knapp die Hälfte der eigenen Produkte exklusiv bei der heimischen Coop-Supermarktkette ab, die in gewaltigen Schwierigkeiten steckt. Im letzten Jahr konnte die Genossenschaft den Milchlieferanten nur einen niedrigeren Preis zahlen als der übermächtige Konkurrent Arla seinen Lieferanten. „Das wurmt mich enorm“, sagt Pedersen in seinem Büro, ehe er dem Fragesteller wieder munter fluchend Optimismus anbietet, zusammen mit Kostproben von Thises Nordsee-, dem Leuchtturm- sowie dem Grubenkäse.
Das bescheidene Büro war vor 68 Jahren auch Pedersens Geburtsort, damals als Schlafzimmer der Eltern über der Dorfmolkerei. Über seinen Nachfolger Svend Schou Borch sagt er, am wichtigsten sei, dass da „ein ordentlicher und emphatischer Mensch kommt“.