Wie Rechtspopulisten Skandinavien aufgemischt haben

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Rechtspopulisten: Mitregieren und Stimmen kassieren

In Skandinavien werden rechtspopulistische Parteien als neue Mitte hofiert. Nationalistische Töne sind längst salonfähig geworden.

Parteitag der rechtspopulistischen Partei der Finnen
Fahnenträger der Partei der Wahren Finnen stimmen sich auf einen Parteitag ein. Foto: dpa
In einem Meer blaugelber Fahnen, vor sich in blaugelben Nationaltrachten Königin Silvia und drei Prinzessinnen, schloss Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven die Rede zum „Flaggentag“ auf der blaugelb geschmückten Bühne bewegt ab. Die Demokratie müsse verteidigt werden, „damit unsere Kinder und Enkel auch weiter eines der freiesten und erfolgreichsten Länder der Welt feiern können. Unser geliebtes Schweden.“ Zwei Jahre vorher hatte der Sozialdemokrat noch vor Demonstranten für eine offene und humane Aufnahme von Flüchtlingen bewegt ausgerufen: „Mein Europa baut keine Mauern.“Inzwischen zieht die Stockholmer Regierung Mauern hoch, was das Zeug hält, und ihr Chef hat die Scheu vor nationalistisch riechenden Tönen abgelegt. Die Sozialdemokraten, die hier fast ein Jahrhundert allein regieren konnten, trennen ein Jahr vor Wahlen nur noch sechs, sieben Prozentpunkte von den rechtspopulistischen Schwedendemokraten. In zehn Jahren hat der stets gesittet auftretende Parteichef Jimmie Åkesson hat aus einer Splittergruppe mit arischen Rasseideologen und anderen Neonazis im Gründergepäck Schwedens nun zweitstärkste Kraft mit 20 Prozent bei Umfragen gemacht. Die Konservativen sind im stetigen Fall auf den dritten Platz zurückgefallen.

Ihr letzter Regierungschef Fredrik Reinfeldt hatte im Wahlkampf 2014 um „offene Herzen“ für Flüchtlinge geworben und die Rechtspopulisten als „Sammelbecken der Rassisten und Ausländerfeinde“ zu Unberührbaren erklärt. Statt um offene Bürgerherzen wirbt seine Nachfolgerin jetzt um die 49 Stimmen der Schwedendemokraten im Reichstag. Anna Kinberg Batra wünscht deren Hilfe beim baldigen Sturz von Löfvens Minderheitsregierung.

Åkesson freut sich von Herzen: Die Blockade der anderen sei ein für allemal vorbei. Sicher ist auch, dass seine Partei nach der Wahl 2018 weiter jede stabile Koalition blockieren kann. Während der Sozialdemokrat Löfven das nationale Loblied auf Schweden immer lauter singt, lobt der bekennende Nationalist Åkesson in diesen Sommertagen nach Kräften das sozialdemokratische „Volksheim“. Diesen „gelungenen Kompromiss zwischen Sozialismus und Konservatismus“ wolle seine Partei um jeden Preis verteidigen. Welche Perspektiven sich damit vielleicht irgendwann eröffnen, zeigt der Blick über den Öresund nach Kopenhagen.

Die Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei (DF), mit 21 Prozent zweitstärkste Kraft im „Folketing“, werden vom Bürgerblock seit anderthalb Jahrzehnten als Mehrheitsbeschaffer hofiert. Sie lassen sich ihre Dienste mit einer Blankovollmacht für Dänemarks brutale Ausländerpolitik bezahlen. Inzwischen werben auch die oppositionellen Sozialdemokraten innig um die Rechtspopulisten. Wie ein Brautpaar sind ihre Parteichefin Mette Frederiksen und der rechtspopulistische Kollege Kristian Thulesen Dahl schon vor Gewerkschaftern gegen die Erhöhung des Rentenalters aufgetreten, denn auch der Umworbene zeigt Interesse. Nicht oft genug können sich die Sozialdemokraten dafür entschuldigen, dass ihr Ex-Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen den Populisten wegen der immer neuen Schmähkampagnen gegen Zuwanderer mal zugerufen hatte: „Stubenrein werdet ihr nie“.

Nach immer neuen Wahlsiegen mit Ausländer-, EU- und „Elite“-Bashing gelten sie nun als blitzbank sauber. „Wir arbeiten unglaublich gut und vertrauensvoll zusammen,“ schwärmt Frederiksen. Ihre Partei hat die DF-Ausländerpolitik samt passender Rhetorik komplett übernommen und übertrumpft auch gerne mal das Vorbild. Fraktionschef Henrik Sass Larsen verlangte in einer 1.Mai-Rede die Deportation von Asylbewerbern auf Insellager, „wie es die Australier vorgemacht haben“. Seine Partei habe immer schon national agiert. Schriftlich äußert die Nummer zwei der dänischen Sozialdemokratie, Kritiker der harten Zuwanderungslinie seien in der Regel gut verdienende Großstadtakademiker und irrelevant wie „Schweine, die sich an einem soliden Baumstamm reiben“.

So primitiv würde sich DF-Chef Thulesen Dahl nie ausdrücken. Wozu auch, wie der freundliche, sachlich und immer perfekt vorbereitet auftretende Parteichef zu erklären weiß: „Alle wissen sowieso, wo sie uns haben.“ Seine Partei wird als Erfolgsmodell der vergangenen zwei Jahrzehnte von den meisten Parteien kopiert. Nach den nächsten Wahlen kann sich Thulesen Dahl den Partner wohl aussuchen und will nur bei über 20 Prozent selbst Ministerposten übernehmen. Bisher ist es als wenig gebundener Mehrheitsbeschaffer ja doch bestens gelaufen.

Und sind nicht auch die finnischen Populisten mit ihrer Regierungsbeteiligung auf die Nase gefallen? 2015 schafften die „Wahren Finnen“ 18 Prozent und sackten dann als Koalitionspartei auf die Hälfte ab. Nach seinem Wahlkampf gegen die faulen Griechen, die fleißige Finnen nicht mehr in der EU durchfüttern wollten, segnete Parteichef Timo Soini als Außenminister Brüsseler Überweisungen nach Athen ab. Die Flüchtlingszahlen stiegen mit den so wehrhaft dagegen angetretenen „Wahren Finnen“ als Regierungspartei kräftig.

Die Wähler wandten sich ab, die Basis verlangte nach neuerlicher Radikalisierung und bekam sie kurz vor den Sommerferien. Als sich Parteichef Soini vom wegen Volksverhetzung vorbestraften Rechtsextremist Jussi Halla-allo jetzt aus dem Amt vertrieben sah, gründete er flugs eine neue Partei, nahm mehr als die Hälfte der Fraktion mit und kann amputiert weiter mitregieren.

Die norwegische Fortschrittspartei hat eine volle Legislaturperiode mitregiert. Im September sind Parlamentswahlen. Als sicher kann gelten, dass diese Rechtspopulisten ihren Wählerstamm auch mit Ministerverantwortung recht stabil gehalten haben. Im Paarlauf mit der konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg kam die gegenüber Populisten wie Marine Le Pen und Geert Wilders gemäßigte Parteichefin Siv Jensen den meisten Norwegern wie ein ziemlich normale Finanzministerin vor. Als eine Kommunalwahl in die Hosen ging und die Umfragewerte gegenüber den 16 Prozent bei der vorigen Wahl sanken, schickte die Partei die Hardlinerin Sylvi Listhaug ins frisch etablierte Zuwanderungs- und Integrationsministerium.

Ihre strammen Sprüche zu den Bildern von hunderttausenden Flüchtlingen, quer durch Europa unterwegs Richtung Norden, halfen bei den Umfragen. Jetzt hat sich Listhaug vor einer TV-Kamera in die Sommerferien verabschiedet, „strahlend vor Zufriedenheit: Noch nie sind so wenig Flüchtlinge in unser Land gekommen wie jetzt.“ Immer weniger im Norden finden so was populistisch.

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